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Westennest

Gemeinschaftlich Wohnen und Wirken in Westen

Selbstverständnis

1. Wer wir sind und was wir wollen

Wir möchten gemeinschaftlich, selbstbestimmt und nachhaltig leben! Dafür haben wir uns zusammengefunden und in Westen ein Wohnprojekt gegründet: das Westennest. Zusammen mit einer anderen Projektgruppe haben wir dafür unter dem Dach der Wohngenossenschaft AllerWohnen ein 7300m² großes Grundstück mit altem Resthof gekauft. Hier möchten wir unseren Utopien vom Guten Leben näher kommen.

Die AllerWohnen (→http://www.allerwohnen.de) wurde 1997 gegründet und umfasst mit uns nun fünf selbstverwaltete Wohnprojekte mit sozialen und ökologischen Grundsätzen im Raum Verden. Der Beitritt zur und die Beratung durch die AllerWohnen ermöglichte den Grundstückskauf, der gemeinsam mit einer anderen Projektgruppe erfolgte, die einen altersgerechten Neubau plant (→ AllerNest).

Westen in der Gemeinde Dörverden ist ein besonderer Ort und toller Ausgangspunkt für unser Projekt. In dem 1300 Bewohner*innen umfassenden Dorf gibt es bereits viele über lange Zeit gewachsene Strukturen, eine rege Community und vielseitige zivilgesellschaftliche Initiativen, die wir sehr schätzen. Wir haben eine sehr zugewandte, solidarische und offene Nachbar*innenschaft vorgefunden und viel Unterstützung erfahren. Auch dadurch wurde der Grundstückskauf überhaupt erst möglich.

Auf dieser kleinen Wiese „alternativer Kultur in Westen“ möchten wir eine weitere Graswurzel sein, aus der es keimt und wächst. Dabei geht es nicht nur ums „schöner Wohnen auf dem Lande“, sondern wir verstehen uns als undogmatisches, nicht in starrer Theorie verhaftetes politisches Projekt. Das bedeutet für uns einerseits, individuell und in der Gruppe eigene Widersprüche, „Herrschaft“, Privilegien und Diskriminierungsmechanismen zu hinterfragen und zu reflektieren. Auf der anderen Seite möchten wir neue Formen des Seins, Werdens und Habens entwickeln, ausprobieren und erlebbar machen.

Um dies zu erreichen, möchten wir in einer bestärkenden, sich gegenseitig unterstützenden Gemeinschaft leben und einen Raum schaffen, an dem Menschen mit verschiedenen Lebensgeschichten wirken und sich gegenseitig inspirieren können (→ Gemeinschaft & Selbstbestimmung). Es erscheint uns notwendig, gemeinsame Wege für Fragen der Verteilung von Eigentum und Verantwortung zu entwickeln (→ Von Umverteilung und Teilen) sowie Strukturen zu wählen, die uns ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Miteinander ermöglichen (→ Organisierungsformen & Struktur). Außerdem zählt eine (→ Ökologische Lebensweise) zu unseren Grundprinzipien. Und mit alledem erhoffen wir uns auch über Westen hinaus nach außen zu wirken und zu inspirieren und damit Teil einer transformativen Bewegung zu sein, die an einer sozialen, ökologischen und befreiten Gesellschaft arbeitet (→ Nach Außen wirken).

Als Projektgruppe sind wir gerade noch in den Anfängen der Verwirklichung dieser Träume. Es steht noch an, das große Haupthaus zum langfristigen und gemeinschaftlichen Bewohnen tauglich zu sanieren und unsere Gruppe hat sich gerade Anfang 2021 auf 17 Personen verdoppelt und wir sind dabei, zusammenzuwachsen . Auch dieser Text soll als im Werden begriffen verstanden werden. Er beschreibt, was wir im Westennest umsetzen möchten, um für uns als Gruppe mehr Klarheit über unsere Vorstellungen und Wünsche mit diesem Projekt zu erlangen und um Menschen, die an unserem Projekt interessiert sind, einen aussagekräftigen Einblick zu geben. Wir verstehen die weitere Ausarbeitung des Selbstverständnisses als kontinuierlichen Prozess und es soll uns eine zukünftige Richtschnur sein, die regelmäßig in Bezug zu unserer Praxis überdacht und weiterentwickelt werden möchte - schließlich soll es passen zu denen, die im Projekt leben und wirken.

Wir haben diesen Text geschrieben als die, die wir jetzt sind und das wirkt sich auf unsere Sprache und Formulierungen aus. An vielen Stellen kommen Worte und Konzepte vor, die bestimmtes Wissen voraussetzen. Wir erwarten nicht, dass sich alle mit allen benannten Themen schon auseinandergesetzt haben und laden ein, nachzufragen und darüber mit uns ins Gespräch zu kommen. Genauso sind auch wir in unserem Wissen begrenzt und freuen uns über Feedback zu Textstellen und Begriffen, die wir vielleicht nicht passend gewählt haben.

2. Gemeinschaft & Selbstbestimmung

2.1. Umgang miteinander

Wir wünschen uns, dass das Westennest ein Ort ist, an dem jede*r von uns sich entwickeln und entfalten kann. Unserem Miteinander soll eine Haltung zu Grunde liegen, die geprägt ist von Wohlwollen, Fehlerfreundlichkeit, gegenseitiger Unterstützung, Respekt, Akzeptanz von Verschiedenartigkeit und Wertschätzung dafür, was die Menschen sind und in die Gemeinschaft einbringen. Als Wohn- und Lebenszusammenhang möchten wir im engen Austausch miteinander sein und daran teilhaben, wie es uns geht, was wir tun und was uns beschäftigt. Wir möchten einander mit Rat und Tat unterstützen.

Unser Anspruch ist dabei nicht, dass alle mit allen eng befreundet und aufeinander bezogen sind. Es ist uns wichtig, uns gegenseitig Raum zu lassen und zu schaffen, sodass alle so leben können, wie sie sich das wünschen. Dies setzt ein hohes Maß an Verantwortung für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse voraus. Dafür üben wir uns darin unsere eigenen Grenzen zu kennen, zu wahren und zu kommunizieren, um den anderen zu ermöglichen, damit umzugehen.

Wir arbeiten zur Zeit an und mit verschiedenen Methoden, die es uns erleichtern sollen, uns in einem strukturierten Rahmen persönliche schöne und auch schwierige Dinge zu sagen, emotionale Themen miteinander zu teilen und eine positive empathische Haltung zu üben (→Organisierungsformen & Struktur).

2.2. Konflikte

Wir möchten einen offenen Umgang mit Konflikten üben und deren konstruktive Potenziale sehen.

Menschen bearbeiten ihre Konflikte unterschiedlich und das ist auch okay so. Es braucht für das Leben in der Gemeinschaft jedoch das Bewusstsein, dass innere wie auch zwischenmenschliche Konflikte im Gemeinschaftsleben schnell die ganze Gruppe betreffen und sich stark auf die Atmosphäre und Dynamiken auswirken können. Wir setzen daher bei Allen die Bereitschaft voraus, Konflikte, Irritationen oder Missverständnisse aktiv und möglichst früh zu kommunizieren, um sie konstruktiv bearbeiten zu können. Davon erhoffen wir uns, dass sie nach Möglichkeit erst gar nicht so weit wachsen, dass sie zum Gruppenthema werden (müssen).

Gleichzeitig sind wir bereit Konflikte, wenn nötig oder gewünscht, im Gruppenzusammenhang zu bearbeiten. Wir sehen darin viele Chancen und Unterstützungsmöglichkeiten. Dafür setzen wir die Bereitschaft voraus, sich auf passende Werkzeuge einzulassen, wie z.B. Mediation oder Gewaltfreie Kommunikation. Wir suchen uns dazu auch manchmal externe Moderation, um von einem Blick von außen zu profitieren, neue Methoden kennenzulernen, schwierige Themen zu bearbeiten oder uns einfach auf uns selbst konzentrieren zu können. Die Entwicklung dieser Kompetenzen im Umgang mit Konflikten sehen wir als Teil unseres gemeinsamen Prozesses und haben Lust daran zu wachsen.

2.3. Zusammenleben…

… in einem großen Haus

Unser Zusammenleben innerhalb der Projektgruppe stellen wir uns in drei Bezugsgruppen mit WG-Charakter vor, die jeweils gemeinsam eine Küche nutzen. Die WGs sind als ein gemeinsames Haus, nicht als getrennte Wohnungen geplant. Eine der drei Küchen wird eine große Gemeinschaftsküche, in der regelmäßig für die Gesamtgruppe gekocht werden kann und die an einen weiteren Gemeinschaftsraum mit Wohn- und Essbereich angeschlossen ist. Für den individuellen Rückzug gibt es die WG-Zimmer, darunter ein rollstuhlgerechtes. Das Erdgeschoss wird barrierefrei.

… in Diversität

Wir sehen Diversität gesellschaftlich und auch in unserer Gruppe als großen Wert; als Bereicherung an Perspektiven und Fähigkeiten; als Möglichkeit, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und offene, inspirierende Räume zu schaffen. Das Westennest soll ein Ort sein, an dem sich Menschen mit ihrer Art zu sein, zu leben und zu lieben entfalten und gut aufgehoben fühlen können.

Mit Neu- und Altbaugruppe (→AllerNest) werden auf dem Grundstück Menschen zwar sehr verschiedenen Alters leben. Darüber hinaus ist unsere Gruppe bezüglich einiger Kategorien derzeit aber recht homogen - wir sind größtenteils weiß, cis, hetero, unge_hindert und studiert. In Utopie möchten wir zwar ohne Denken in Kategorien auskommen, sie sind aber gesellschaftliche Realität. Deswegen finden wir es wichtig unsere privilegierten Positionen transparent zu machen. Wir wünschen uns, dass sich bei uns gesellschaftlich unterschiedlich privilegierte und positionierte Menschen wohl und geborgen fühlen können.

Diverse Geschlechtsidentitäten, queere Menschen und verschiedene Beziehungs- und Familienkonstellationen sind willkommen und wir verstehen uns als Ort, der Heteronormativität und Kleinfamilienstruktur hinterfragt und Alternativen dazu stärken möchte. Kinder sollen ihre Geschlechtsidentität selbstbestimmt entwickeln können.

Auch über unser Projekt bzw. unsere Wohnbesetzung hinaus ist es uns ein gesellschaftspolitisches Anliegen, uns für die Sichtbarmachung von marginalisierten Perspektiven und den Abbau von Diskriminierung einzusetzen.

… von Kleineren und Größeren

Das Wohnprojekt soll auch ein Ort für Kinder sein, in dem sie in ihrem Wesen willkommen sind und vertrauensvolle Beziehungen knüpfen können. Wir möchten den Kindern Raum und Gestaltungsmöglichkeit nach ihren Bedürfnissen und Interessen geben. Wir streben an, Kinder in einer ihnen gerechten Weise, in sie betreffende Entscheidungen einzubeziehen. Ebenso wird es Räume geben, die Kindern nicht unbegrenzt zugänglich sind, um Bedürfnisse von Erwachsenen zu wahren. Wir möchten fördern, dass die Kinder im Projekt auch andere erwachsene Bezugspersonen als ihre Eltern haben können. Wir stellen in Frage, dass die Fürsorgearbeit, die für Kinder anfällt, nur von den Eltern getragen werden muss. Da wir sehr unterschiedlich erfahren im Umgang mit Kindern sind, begreifen wir diese verschiedenen Ebenen als Lernprozess.

Wir wünschen uns, dass Kommunikation zwischen Kindern und Erwachsenen über Bedürfnisse und Interessen möglichst direkt stattfindet und probieren gegenseitige Absprachen und passende Formate aus. Während der regulären Gruppentreffen sind die Kinder anderweitig betreut.

3. Von Umverteilung und Teilen

3.1. Gemeinsame Ökonomie

Bisher haben wir keine gemeinsame Ökonomie. Eine solche aufzubauen, ist für uns allerdings ein wichtiges Thema: Wir sehen darin eine Möglichkeit, kapitalistische Leistungsprinzipien und Wertmaßstäbe abzubauen und es erscheint uns schlüssig, in unserem Projekt einen gemeinsamen Umgang mit Geld zu entwickeln. Wir möchten unsere Beziehung zu Geld hinterfragen, einen transparenten Umgang damit üben und die Belastungen und Ängste verringern, die viele Menschen beim Thema Geld umtreiben.

Durch die Umverteilung unserer Einkünfte möchten wir mit den Hierarchien und Wertlogiken brechen, die in der Gesellschaft vorherrschen - zwischen verschiedenen Arten von Lohnarbeit ebenso wie zwischen Lohnarbeit und nicht entlohnter Arbeit wie Fürsorge- und Reproduktionsarbeit. Durch gemeinsame Ökonomie möchten wir soziale Ungleichheiten und individuelle Abhängigkeiten verringern und eine Struktur schaffen, in der es Menschen möglich ist, ihren Tätigkeiten und Neigungen in dem Umfang nachzugehen, wie es ihnen gefällt, unabhängig von der monetären Bewertung dieser Tätigkeiten.

Uns ist dabei klar, dass wir uns innerhalb des kapitalistischen Systems befinden, wir finanzielle Bedarfe stemmen müssen und uns bestimmten Zwängen nicht entziehen können. Dafür zu sorgen diese zu decken möchten wir als kollektive Aufgabe erachten und dabei unsere verschiedenen Neigungen, Ressourcen und Privilegien berücksichtigen und einbringen. Wir erhoffen uns, gemeinsam einen Weg zu finden, unser benötigtes Geld so zu organisieren, dass wir uns damit wohlfühlen und individuellen Druck reduzieren. Dies zu realisieren sehen wir als komplexen Prozess, den wir gemeinsam angehen möchten.

Gemeinsame Alltagsökonomie, also das Teilen unserer laufenden Einkünfte, erscheint uns zunächst einfacher zu denken, in der aktuellen Gruppe teilen wir jedoch die Meinung, dass dies nur ein halber Schritt ist und erst eine gemeinsame Vermögensökonomie eine wirkliche Alternative zum gesellschaftlichen Zustand ist. Daran möchten wir uns annähern.

3.2. Teilen und gemeinschaftlich nutzen

Wir teilen viele Dinge und streben an, möglichst vieles gemeinsam zu nutzen, anstatt es vielfach einzeln zu besitzen. Darin sehen wir den Gewinn, dass die verschiedensten Dinge, die für alle zugänglich sind, viel genutzt werden können und insgesamt dennoch ressourcenschonend gehandelt wird. Um den gemeinsamen Gebrauch von Dingen als bereichernd zu erleben und lange Freude und Nutzen daran zu haben, wollen wir Regelungen über deren Nutzung, Pflege und Instandhaltung finden. Selbstverständlich gibt es auch Dinge, die jede*r für sich alleine nutzt.

Über das Wohnprojekt hinaus wird in unterschiedlichen Zusammenhängen im Dorf Teilen und Vergemeinschaften aktiv gelebt und gestaltet (Küfa, E-Car-Sharing, Nachbarschaftshilfe usw.). An diesen Strukturen möchten wir uns aktiv beteiligen und ihren Ausbau fördern.

3.3. Geteilte Verantwortung

Der Hof ist in genossenschaftlichem Besitz, wird jedoch vollständig durch uns selbst verwaltet. Wir wünschen uns Menschen in unserer Gruppe, die hier ihren Lebensmittelpunkt einrichten möchten und Lust auf Begegnungen im Alltag haben. Wie jedes selbstverwaltete Projekt brauchen wir die Motivation und den Einsatz aller hier Lebenden, um die vielfältig anfallenden Aufgaben zu meistern. Dabei werden Kapazitäten, Neigungen und Fähigkeiten natürlich unterschiedlich sein - wir möchten aber, dass alle Leute sich hier mit verantwortlich fühlen und Mit-Verantwortung übernehmen.

4. Organisierungsformen & Struktur

4.1. Gemeinschaftsprozesse

Momentan treffen wir uns wöchentlich für 2 Stunden zum Plenum – dabei geht es immer abwechselnd um Organisatorisches und Emotionales (→Umgang miteinander/ Konflikte).

Für die Orga-Plena haben wir im letzten Jahr Strukturen zur Gruppen- und Aufgabenorganisation entwickelt, die uns helfen zu planen, Aufgaben effektiver zu überblicken, umzusetzen, Geschafftes zu feiern und unsere Kapazitäten und Grenzen im Blick zu behalten. Außerdem gibt es regelmäßig Westennest-Wochenenden (derzeit: alle 4-8 Wochen), an denen wir uns intensiv den Themen widmen, die im Aufbau-, Planungs- und Gruppenfindungsprozess anfallen und mehr Zeit und Raum brauchen.

In Zukunft und mit einer größeren Gruppe stellen wir uns vor, dass zunehmend Themen in Arbeitsgruppen und auf WG-Ebenen wandern und es weniger häufig und umfänglich der Gesamtgruppe bedarf.

4.2. Entscheiden

Wir entscheiden basisdemokratisch nach dem Konsens-Prinzip. In Entscheidungen werden alle einbezogen, die davon betroffen sind (über die eigene Betroffenheit entscheidet jede*r für sich). Wie ausführlich Diskussionen zu diesem Konsens sind, hängt von der Bedeutsamkeit der Entscheidung ab. Die Prozesse sollen transparent verlaufen.

Die regelmäßigen Plena sind der zentrale Ort für wichtige Entscheidungen. Es gibt ergänzend Arbeitsgruppen, die Verantwortung für bestimmte Themen haben und manche Entscheidungen AG-intern treffen können und sollen. Oder eine AG bereitet Informationen und Fragen so vor, dass im Plenum eine gute und zügige Entscheidungsfindung erleichtert stattfinden kann. Um Leute, die mal nicht beim Plenum sind, beteiligen zu können, möchten wir Strukturen schaffen, um dies zu ermöglichen. Das soll z.B. durch Ankündigungen, aushängende Vorlagen sowie Protokolle passieren. Gleichzeitig ist es die Verantwortung jeder*s Einzelnen, sich aktiv über anstehende Entscheidungen zu informieren. Manchmal müssen Entscheidungen kurzfristiger getroffen werden, als es der Turnus unserer Plena hergibt. Es soll gegebenenfalls auch möglich sein, als Delegierte*r Entscheidungen zu treffen und wir wünschen uns eine Kultur in der wir uns gegenseitig vertrauen, dass Entscheidungen möglichst im Sinne aller getroffen werden und dennoch eine Einspruchsmöglichkeit erhalten bleibt.

Neben diesen Strukturen hoffen wir auf ein positives Klima für individuelle, spontanere Initiativen und möchten die Möglichkeit kleinerer, alltäglicher Entscheidungen erhalten.

5. Nach Außen wirken

5.1. Der Hof als Lebens- und Begegnungsraum

Das Westennest soll auch für Menschen, die nicht hier wohnen, ein Ort sein, an dem sie sich gerne bewegen und begegnen. Ein Ort, der inspiriert, Vernetzung ermöglicht und dadurch nach Außen wirkt. Dies möchten wir fördern, indem wir ein offener Raum sind, indem wir Ressourcen wie Raum und Gegenstände zur kollektiven Nutzung zur Verfügung stellen und Gelegenheiten schaffen zum Hier- und Dabeisein. Damit einhergehend erhoffen wir uns (und erleben bereits), von vielen Menschen unterstützt zu werden bei der vielen Arbeit, die mit unserem Projekt einhergeht.

Durch unsere Lage mitten im Dorf gibt es hier viel Nachbarschaftskontakt, kleine und große Leute kommen spontan vorbei und wir sind ein „naheliegender“ Ort für Treffen. Das Gelände bietet genug Platz, unbestimmte Flächen auch öffentlicher nutzen zu lassen, z.B. als Standort kollektiver Güter oder Raum für Gruppentreffen und politische Arbeit. Für die Zukunft träumen wir davon, noch mehr Infrastruktur und Möglichkeiten anbieten zu können, wie z.B. eine Außenküche. Weitere (halb-)öffentliche Gelegenheiten sind Hofaktionstage, bei denen wir unser persönliches Umfeld, aber auch andere Interessierte zu gemeinsamen Arbeitseinsätzen einladen. Außerdem wird es immer wieder schöne Feste und Veranstaltungen in kleinem oder größerem Rahmen geben.

Gleichzeitig soll klar definiert sein, welche Räume öffentlich sind und welche nicht. Unsere „offenen Türen“ sollen die Bewohner*innen nicht überfordern und es muss auch ein Zuhause sein, an dem wir Ruhe, Rückzug und Privatsphäre finden können. Wir versuchen dies in unserer Gelände- und Raumplanung mitzudenken, brauchen Vereinbarungen darüber, wer welche Flächen wann nutzt und brauchen Ressourcen von uns, um diese Möglichkeiten und Nutzungen zu verwalten und zu pflegen.

Zudem gibt es im Dorf auch andernorts schon Vieles - eine gemeinschaftlich belebte Kneipe mit Veranstaltungsräumen, Kulturprogramm, Polit-Gruppen, 1x pro Woche gemeinsames Mittagessen mit ca. 50 Menschen, einen Bioladen, eine Kleiderstube und vieles mehr. Neben dem „Neues Schaffen“ ist es uns wichtig, uns in diesen bestehenden Strukturen zu engagieren, sie mit zu erhalten und zu beleben.

5.2. Das Westennest in Westen und der Region

Wir schätzen die Westener Dorfgemeinschaft und begreifen uns als Teil von ihr. Wir bringen uns in bestehende Strukturen wie auch in gesellschaftspolitische Debatten in Westen und der Region ein. Wir möchten mit Nachbar*innen, engagierten und interessierten Menschen zusammen Dinge voranbringen, bei Einigem auch eine neue Perspektive einfließen lassen, Diskurse und Praxis mitgestalten. Über das Dorf hinaus reicht unser politisches Engagement in die Region, wir sind vernetzt in Dörverden, Verden und Bremen, haben Bezüge in andere Wohnprojekte, Vereine und Initiativen und möchten uns am Aufbau weiterer Strukturen und an der Vernetzung in der Region beteiligen.

6. Ökologische Lebensweise

Wir steuern auf eine dramatische Klimakrise zu. Um etwas zum Klimaschutz beizutragen, müssen wir unseren Lebensstil grundsätzlich verändern und zeit- und dringlichkeitsgemäße Lösungen erarbeiten. Eine ökologisch orientierte Grundhaltung halten wir daher für essentiell.

Einige Aspekte davon sehen wir bereits im Gemeinschaftsleben an sich verwirklicht - durch die gemeinsame Nutzung von Räumen, Gebrauchsgegenständen und Infrastruktur lassen sich Ressourcen sparen. Wir planen unser Haus so, dass es ressourcenschonend und energieeffizient saniert und bewohnt werden kann. Außerdem können und möchten wir im Kleinen folgendermaßen Ressourcen sparen: durch die Nutzung gebrauchter statt dem Kauf neuer Dinge; durch Reparatur, Umnutzung, Upcycling von Dingen; durch die Nutzung kollektiver Güter; durch ein genügsames Konsumverhalten; durch Reduzierung weiter Reisen; sowie durch eine umweltbewusste Alltagsgestaltung, die auch das Infragestellen von gesellschaftlich konstruierten Notwendigkeiten beinhaltet. Unter anderem streben wir an, wenige Autos zu haben und auf diese möglichst nur zurückzugreifen, wenn umweltverträglichere Mobilität nicht sinnvoll möglich ist.

Wir ernähren uns größtenteils von ökologisch produzierten Lebensmitteln. Wir haben keinen Selbstversorgungsanspruch, doch unser Obst und Gemüse kommt bevorzugt direkt aus dem Dorf, dabei teils aus Betrieben, in denen einige von uns arbeiten. Auch eine stärkere Weiterverarbeitung der hier produzierten Lebensmittel streben wir an.

Bestehende Strukturen und Synergien hier im Dorf machen eine ökologische Lebensweise einfacher und umfänglicher möglich, z.B. durch das E-Car-Sharing neben unserem Grundstück, geteilte Zweiräder und womöglich künftig auch durch ein Nahwärmenetz. Diese Strukturen möchten wir nutzen und aktiv deren Ausbau fördern. Klimaschutz ist zudem ein wichtiger Bestandteil unseres politischen Engagements - regional und überregional.

Bei all den geäußerten hohen Ansprüchen ist es uns wichtig zu betonen, dass wir tolerant gegenüber situativ von ökologischen Grundsätzen abweichendem Handeln im Alltag (z.B. spontane Autofahrten) sein möchten. Individuelle und lebenspraktische Alltagsentscheidungen sollen undogmatisch und unbewertet bleiben können.


(Stand März 2023)